Erst vor kurzem habe ich eine Tagung zum Thema „Quo vadis Personalentwicklung“ besucht. Einer der Vortragenden – Berater und Begründer eines Open-Source-Netzwerkes – stellte sich der Frage, wie zeitgemäß Personalentwicklung überhaupt noch ist?! Also genau genommen bezeichnete er Personalentwicklung als eine „gar nicht mehr so gute Idee“. Was er damit meinen könnte und wie moderne Personalentwicklung aussehen könnte, klären wir hier.

eine gruppe menschen symbolbild moderne personalentwicklung

Wiederbelebungsmaßnahmen zulassen

Personalentwicklung ist im heutigen Zeitalter geprägt von sich ständig ändernden Abläufen in einer schnelllebigen Welt. Im Informationszeitalter hat Individualisierung einen besonders hohen Stellenwert — die Personalarbeit hätte sich jedoch kaum geändert. Dem Vortragenden nach zu urteilen, wird Personalentwicklung heutzutage durch eine unüberschaubare Liste an Prozessen und Hierarchien erdrückt. Die ständig lernenden Menschen mit großartigen Ideen blieben hier auf der Strecke, dabei überleben bloß Projektpläne, Prozessabläufe und ein riesiger Berg an Informationen ohne Verwendung. Schöpfen wir dann vermutlich auch nicht unser gesamtes Potenzial aus? Umgekehrt gefragt: „Ist eine qualitative Personalentwicklung in lebendigen Teams unter all den komplexen Prozessen überhaupt noch möglich?“

Interaktionen als Verkaufsschlager

Was Personalentwicklung also heute fördern sollte (um nicht zu sagen muss), sind eine unendliche Bandbreite informeller Strukturen — und ja, hier meine ich auch den Kaffeetratsch mit Kollegen oder unverbindliche Mitarbeiterevents. Seminare mit starrer Wissensvermittlung sind schon lange kein „Burner“ mehr, ausverkauft sind jene Formate, die mehr Raum für eine Vernetzung lassen und dadurch eben den Beziehungsaufbau und den Wissensaustausch stärken. Provokant ausgedrückt: Personal darf nicht entwickelt, sondern den Personen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich durch Vernetzungen selbst zu fördern. Oder, wie es der Vortragende sagte: „Personalentwicklung heutzutage macht blind, um die Potenziale eines Teams zu erkennen“.

Fremdsteuerung, ade!

Um die Potenziale von Teams voll ausschöpfen zu können, soll vor allem das selbstgesteuerte Lernen im Unternehmen gefördert werden. Eine fremdgesteuerte Entwicklung des Personals ist nicht mehr zeitgemäß, Selbstverantwortung ist somit groß im Kommen. Wenn wir von einer ständigen Weiterentwicklung in einer Organisation sprechen, muss die Kirche schon im Dorf gelassen werden. Denn wenn man von den Mitarbeitern Flexibilität, Dynamik und Eigenverantwortung fordert, muss der Weg dorthin auch möglich sein.

Eigenverantwortung zur Entnahme

Nun ja, das bedeutet auch, dass wir Personaler Werkzeuge zur Verfügung stellen müssen, um Mitarbeiter durch Interaktionen zu genialen Ideen und kreativem Handeln zu ermutigen. Hinterfragt wie eure Personalentwicklung im 21. Jahrhundert mit den unermüdlichen Trends noch mithalten soll? Der Appell geht also an Unternehmen: bietet euren Mitarbeitern Möglichkeiten des selbstgesteuerten und informellen Lernens. Gemeinsames Kaffeetrinken in der Gemeinschaftsküche als Ideentopf? In den meisten Fällen tauschen sich Mitarbeiter nach kurzen privaten Ständchen ohnehin über Probleme, gut laufende Projekte oder neue Ideen aus. Das dabei entstehende Potenzial ist für jedes Unternehmen leistbar. Genau aus diesem Grund soll Personalentwicklung auch die Interaktionen und nicht die Personen dahinter entwickeln. Lassen wir Personaler also ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen – nämlich Raum für Interaktionspotenziale zu schaffen.

Literaturtipp:

Pfläging, N./Hermann, S. (2015): Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität. Redline-Verlag.