Christoph Monschein ist Head of Retail bei Sandoz. Im Gespräch mit ihm sprachen wir über die Herausforderungen einer Führungsposition, dem Herunterbrechen von Hierarchieebenen in Großkonzernen und darüber, wie er ein Team von 80 Mitarbeitern motiviert hält und fördert.
Erstmal zu dir, Christoph:
Wer bist du und was machst du?
Ich bin in Graz aufgewachsen, habe BWL studiert, 2 Masterabschlüsse gemacht und angefangen, in der Unternehmensberatung zu arbeiten. 7 Jahre lang wurde ich als Consultant weltweit in der Strategieberatung im Marketing und Sales eingesetzt. Zwischendrin war ich ein Jahr karenziert und habe einen MBA gemacht. Da ist mir klar geworden: Ich möchte nicht ewig im Consulting arbeiten, denn man ist nie zuhause und ist für nichts selbst verantwortlich: Man geht immer nur hin, redet g’scheid und geht wieder. Ich wollte in ein „normales“ Industrieunternehmen wechseln.
Letzten Juni habe ich dann den Entschluss gefasst und in die Pharma-Branche gewechselt, jetzt bin ich in der Geschäftsführung bei Sandoz Österreich, der Generika-Tochter von Novartis und leite den gesamten Retail-Bereich, bin damit quasi für alle Ärzte und Apotheken außerhalb des Krankenhauses österreichweit verantwortlich. Ich leite 4 Abteilungen mit insgesamt 80 Mitarbeitern, die ca. 100 Millionen Euro im Jahr generieren.
Was zeichnet deine Position bei Sandoz aus?
Ich bin jetzt 32 Jahre alt und vermutlich der jüngste in einer solchen Position in Österreich. Das klingt alles so dick aufgetragen, aber ganz im Ernst: Diese Position hätte ich mir selbst nie gegeben. Ich habe zuvor Projekte mit 3-4 Mitarbeitern über 3-4 Monate geleitet. Ich war nie längerfristig für Mitarbeiterentwicklung oder für eine vollständige Bilanz verantwortlich. Ich habe abgeliefert und präsentiert, nie auch was umsetzen müssen, hatte keine Erfahrung im Pharma-Bereich. Die Position war für meine Ausgangslage absurd hoch. Ich habe einige Zeit gebraucht, um die volle Verantwortung meiner Rolle zu verinnerlichen.
80 Mitarbeiter, ein Team – Das erfordert Strategie!
Wie strukturierst du dein Team?
Ich habe viel umgebaut und umstrukturiert damit es funktioniert. Ich bin verantwortlich für 80 Mitarbeiter in unterschiedlichen Teams, die in 4 Abteilungen arbeiten. Der jeweilige Head der Abteilung berichtet an mich, die haben unter sich insgesamt 6 weitere Manager, die jeweils Vertriebs-Teams leiten. Zusätzlich berichtet das Marketing Team den 4 Heads. Wir haben mehrere Hierarchie-Ebenen, da es sonst keine Möglichkeit gäbe, so ein großes Team zu führen.
Wie schafft man es in einem großen Team, dass sich niemand benachteiligt, sondern als Teil des Ganzen fühlt?
Das ist nicht so leicht: Zuvor gab es nur Marketing und Vertrieb, jetzt 4 Teams. Bei der Veränderung war es wichtig darauf zu achten, dass alle verstehen, das wir trotzdem ein Team sind.
Ich habe wöchentlich Meetings mit allen 4 Heads, die Abteilungen stimmen sich untereinander ab. Einmal monatlich treffe ich zusätzlich alle Manager und die Marketing Teams gemeinsam zum Jour Fixe. Dann haben wir 3x im Jahr Tagungen von ca. 3 Tagen, wo das ganze Team von 80 Personen zusammenkommt. Hier werden teamübergreifende Themen besprochen und bearbeitet, sie sollen hier auch die Möglichkeit haben, sich untereinander zu besprechen und sich besser kennenzulernen.
Lass uns über Hierarchieebenen sprechen..
Wie genau deutest du hierarchische Führung in Großkonzernen?
Ich glaube, dass eine gewisse Art von Hierarchie notwendig ist, um operativ effektiv zu arbeiten. Du kannst nicht 10 Leute unter dir selbst führen. Ich will wöchentlich Zeit für alle haben, die direkt mit mir arbeiten, das ist mir wichtig, und das braucht Strukturen und Unterteams. Aber: Man sollte nicht hierarchisch führen! Kommunikation und Feedback sollten über alle Hierarchieebenen auf beide Seiten fließen können. Ich möchte keine Top-Down Geschichte. Mir ist es egal, ob die Geschäftsführung vor meinem Schreibtisch steht oder die Assistentin von jemandem, das macht für mich keinen Unterschied. Themen sollten mit allen auf Augenhöhe besprochen werden. Das Organisationsdiagramm muss und soll nichts mit der Art der Zusammenarbeit im Alltag zu tun haben – insbesondere nicht mit der Kommunikation.
Wie durchbrichst du selbst die Hierarchieebene?
Durch die wöchentlichen Meetings mit den Heads oder auch dem monatlichen Newsletter von mir. Den nutze ich wie einen Blog, um alle möglichen Informationen an das Team weiterzugeben. Zusätzlich gehe ich zweimal im Monat einen ganzen Tag mit einem Außendienstmitarbeiter mit, begleite ihn durch seinen Alltag und tausche mich intensiv mit ihm aus, um zu spüren, wo der Schuh gerade drückt. Auch wenn ich ständig in Meetings bin, wissen meine Mitarbeiter, dass mein Handy griffbereit ist und ich erreichbar bin – auf Anworten von mir müssen sie normalerweise nur ein paar Minuten warten.
Was zeichnet deinen Führungsstil aus?
Ich spreche gerne von „unbossing“, also davon, kein „Boss“ zu sein. Mein Führungsstil ist sehr partizipativ. Ich gebe vielleicht den Rahmen vor und verteile natürlich die Budgets, aber was die Teams schlussendlich operativ damit machen, ist ihnen überlassen. Jeder ist für seine Themen verantwortlich. Ich bin erreichbar, wenn man mich braucht, aber gebe wenig vor. Lediglich in team-übergreifende und strategische sowie Personalentscheidungen möchte ich eingebunden werden.
Ich habe bisher gefühlt jeden befördert: Jeder hat nun mehr Verantwortung, mehr Mitspracherecht. Zuvor waren einige mehr oder weniger Befehlsempfänger: Der Chef hat dem Manager Befehle gegeben, der hat sie an den Außendienst weitergeleitet. Ich habe meinen Managern auf unterschiedlichster Hierarchieebene klar kommuniziert, dass sie Teil des Managements ihrer Abteilung sind. Sie haben Verantwortung, sollen selbst Strategien überlegen und diese umsetzen, sich in Projekte und Entscheidungen einbringen, nicht ausschließlich exekutieren. Sie haben nun eine viel stärkere Rolle im Prozess der Entscheidungsfindung. Dadurch, dass sie daran Teil haben, vertreten sie die Entscheidungen auch und die erfolgreiche Umsetzung wird unterstützt.
Wie man Teams motiviert und entwickelt
Welche Kulturaspekte sind dir im Team wichtig?
Verantwortung und Vertrauen. Ich bringe dem Team insofern Vertrauen entgegen, als dass ich sage, dass ich mich nicht einmische und du zu mir kommst, wenn du was brauchst. Das impliziert, das was schief gehen kann, aber das sollte auch ok sein und dann wird eben analysiert und ein Learning aus der Geschichte gesucht. Eine Fehlerkultur ist wichtig. Verantwortung heißt für mich, über die Hierarchie hinweg zu schauen.
Kann man Gehalt mit Motivation gleichsetzen?
Dein Gehalt kann dich unglücklich machen, wenn du glaubst, es sei zu wenig, aber es macht dich langfristig nicht glücklich. Was motiviert, ist Verantwortung und Anerkennung. Wenn du Mitarbeitern sagst, dass sie einen guten Job machen. Wichtig in einem Unternehmen ist, dass man stets das Gefühl hat, sich entwickeln zu können, dass der Weg nicht in einer Position endet. Wir haben viele High Potentials im Team, die einen super Jobs haben, aber mehr wollen. Man muss ihnen eine Bühne bieten, sie feedbacken, trainieren und weiterentwickeln, sonst sind sie weg.
Zum Abschluss vielleicht noch ein Zitat, das dich und deinen Führungsstil beschreibt?
Der CFO sagt zum CEO: „Warum investieren wir so viel in Mitarbeiter, wenn sie dann vielleicht gehen? Wir investieren umsonst.“
Der CEO antwortet: „Was ist, wenn wir nicht investieren, und sie bleiben?“
Ich weine niemandem nach, der von uns viel Training und Coaching erhalten hat, und uns dann verlässt. Viel schlimmer wäre es, wenn wir gar nicht in unsere Mitarbeiter investieren würden und sie sich dann nicht weiterentwickeln. Man sollte nie anfangen, so zu denken: Das ist eine gefährliche Perspektive.